Wir haben ein wertvolles Erbe, dem wir Sorge tragen müssen
Am 29. Oktober schlängelte sich der zwei Kilometer lange RhB Zug durch die Unesco Welterbestrecke in Graubünden. Weltrekord geschafft! Zusammen mit unseren Kindern haben wir das wunderschöne Panorama entlang der Zugstrecke des Albula Tals genossen. Schon als Kind verbrachte ich meine Ferien in Bergün, während mein Vater jeweils Militärdienst leistete. Immer wieder beeindrucken mich die gewaltigen Eisenbahnviadukte, schlängelnde Tunnels und militärischen Verteidigungsanlagen. Ich staune was unsere Vorfahren geschaffen und uns hinterlassen haben. Ihnen verdanken wir wichtige Errungenschaften wie unsere SBB, top funktionierende Infrastrukturen, Schulen und Universitäten, eine starke Milizarmee und erfolgreiche Unternehmungen.
Alle diese Leistungen wurden in herausfordernden Zeiten erbracht, als Wohlstand, Sicherheit und Freiheit keine Selbstverständlichkeit waren. Wenn ich mein 97-jähriges Grosi, Hedi Staub, erzählen hörte standen Verzicht, harte Arbeit und Opferbereitschaft an der Tagesordnung.
Die Elektrifizierung im 19. Jh. war ein bedeutender Meilenstein in der Geschichte des jungen Bundesstaats Schweiz. Die Wasserkraft mit imposanten Stauseen und später die innovative Kernenergie wurden vorangetrieben, wodurch die Stromversorgung robust, sauber und günstig wurde. Stromunterbrüche und verfallende Infrastruktur kannte man nur vom Ausland. Und heute?
Für die heutige Generation sind Wohlstand und Sicherheit oftmals eine Selbstverständlichkeit geworden. Wir kümmern uns um die korrekte Platzierung eines Sternchens oder um die Frage, ob wir vier statt fünf Tage arbeiten wollen und warum die Deutschen eine 12-monatige Elternzeit haben und wir nicht. Ich stelle immer wieder fest, wie die Mehrheit im Kantonsrat das Gefühl hat, wir würden im Überfluss leben und könnten uns alles leisten.
Für das nächste Jahr ist ein Budgetdefizit von 568 Millionen Franken geplant. Auch in den kommenden Jahren rechnet der Finanzdirektor mit weiteren Defiziten. Das bedeutet, dass der Kanton seine Investitionen von durchschnittlich 1.4 Mia. Franken nicht vollständig aus eigenen Mitteln finanzieren kann, sondern sich helfen muss durch neue Schulden in der Höhe von 3 Mia. Franken.
Leider steigen die Mehrbelastungen weiter an. Insgesamt sind 1370 (+2.7%) neue Staatsstellen geplant. Der Beschäftigungsumfang liegt im Jahr 2023 bei 51’248 Stellen. Als wesentlicher Hauptgrund dieser Entwicklung wird die hohe Zuwanderung genannt, welche zu einem Bedarf an zusätzlichen Lehrpersonen (+350), Angestellten im Justizvollzug (+188), Gerichten (+95) etc. führt.
Für einen griffigen Sparantrag über alle Direktionen hinweg fehlt im Kantonsrat der SVP, FDP und der Mitte knapp die Mehrheit.
Die Überbelastung unserer Infrastrukturen, Gerichte, Landschaft und Schulen durch die Einwanderung seit 2007 ist beträchtlich. Schweizweit geschätzter Mehrbedarf von 2’730 Ärzten, 19’000 Pflegepersonal, 6950 Lehrpersonen, 1518 Schulgebäude und 450’000 neue Wohnungen. Wohneigentum für junge Familien in Hettlingen – mittlerweile eine Wunschvorstellung.
Was ist, wenn der Wohlstand der Schweiz versiegt und die Lebensqualität abnimmt, weil wir mit unserem Erbe verantwortungslos gewirtschaftet haben? Was ist, wenn Kriege und Krisen immer näher nach Europa rücken, aber nur wenige bereit sind persönliche Opfer zu leisten und sich dem Wehrdienst zu verpflichten? Mir scheint fast, dass niemand das Undenkbare zu denken wagt.
Wir alle können auf unsere Grosseltern und Urgrosseltern zurückblicken, die zwei Weltkriege durchgehalten haben und trotz aussichtsloser Zukunft mutig vorangegangen sind. Bescheidenheit, Fleiss und den Willen zu Selbstbestimmung haben uns diese wunderbare und lebenswerte Schweiz gebracht. Halten wir an diesen Werten fest. Stehen wir zusammen und machen wir gemeinsam weiter.
Ich wünsche Ihnen eine wunderschöne und besinnliche Adventzeit und frohe Weihnachten
Ihr Kantonsrat
Tobias Weidmann, Hettlingen